Nur mal etwas Urlaub machen

Wolkenhäubchen über Hügel - in Galizien ein häufig zu sehendes Wetterphänomen
Wolkenhäubchen über Hügel - in Galizien ein häufig zu sehendes Wetterphänomen

Wir haben auch die Segelsaison 2019 in Galizien verbracht, nachdem uns klar wurde, dass wir eigentlich woanders nichts verpassen und „einfach nur Urlaub“ auch mal schön wäre.

Galizien ist - wir wiederholen uns - schon echt schön und sehr abwechslungsreich.

Die Islas Sisargas, eher klein, offen und zumeist dem rauen Nordwind ausgesetzt. Bei passendem Wetter kann man trotzdem für die Nacht Schutz finden.
Die Islas Sisargas, eher klein, offen und zumeist dem rauen Nordwind ausgesetzt. Bei passendem Wetter kann man trotzdem für die Nacht Schutz finden.
Zu Fuß auf den Islas Cies unterwegs
Zu Fuß auf den Islas Cies unterwegs

Anbei folgt eine kleine Andenken- und Anekdotensammlung dieses Sommers.

Marinas: schöne Dusche, sauberer Steg oder Nachtruhe?

Man kann halt nicht alles haben. Festzustellen bleibt, dass eine Disko in Rufreichweite vom Gästesteg der Erholung nicht zuträglich ist. Als wir das herausgefunden hatten, sind wir anderntags in der nächste Apotheke vorstellig geworden, um unseren Ohrstöpseln ein Update zu verpassen.

Nachdem wir der freundlichen Apothekerin unser Leid geklagt hatten, wurde uns beschieden, dass die Disko eigentlich um 04:00 Uhr Zwangs-Feierabend hätte. Und wir sollten doch einfach die Polizei rufen, wenn die sich nicht daran halten.

Naja, macht man als Gast dann doch nicht.

Die Realität: die Musik war sonntagsmorgens um 9 Uhr zuende, gelegentlich kamen noch ein paar Gäste in die Marina, um bis Mittag auf ihrem Boot weiterzumachen. Aber unter der Woche ist es super ruhig in Vilagarcia! (Und man muß sehr heißes Duschwasser mögen. Oder ganz kaltes!)

Dann wäre da noch die Sache mit dem, nun ja, Möwenkacksteg (aka Gästesteg, hier ohne Symbolbild). Man kann es nicht anders nennen. Vermutlich haben die Marineros keine Schuld, weil die Viecher einfach sehr deutlich in der Überzahl sind. Sie lungern vor allem gern bei Ebbe auf dem Steg herum und knabbern dann die freiliegenden Muscheln von den Pollern, die die Schwimmstege fixieren. Sehr praktisch, dass das Futter alle paar Stunden (wenn auch sehr, sehr langsam) auf Schnabelhöhe vorbeigefahren wird.

Dass Vigo Spaniens „Fischereihauptstadt“ ist, dürfte der Möwenpopulation auch eher entgegenkommen. Und sie haben sich durchaus wohnlich eingerichtet: man kann tatsächlich Möwen dabei beobachten, wie sie am Steg die Wasserhähne mit dem Schnabel öffnen, wenn sie Durst haben. Wir wollten es nicht glauben, konnten sie aber tatsächlich auf frischer Tat überführen.

Klampen werden gern als Werkzeug zum Öffnen von Muscheln zweckentfremdet. Und Boote… reden wir nicht davon. Spätestens wenn es den ganzen Tag durchregnet, versucht man, das Stegballett nicht allzu oft aufführen zu müssen. Ob sie das unterhaltsam finden? Aber kaum ist es Montag, der Hafenmeister ist wieder im Dienst und hat ein Einsehen, sieht die Seglerwelt schon wieder ganz anders aus. Einmal umparken, sauberer, kurzer Steg, Sonnenschein, Waschmaschine frei, schon geht man wieder fröhlich seinen Aufgaben nach. So ist das eben!

Die Fangarme der Badeleine

Es ist wirklich sehr schön in der Ria de Camariñas und es findet sich für jede Windrichtung eine Bucht mit Sandgrund als Ankerplatz. Also suchen wir uns eine idyllisch gelegene Ensenada mit einem wundervollen, langen Sandstrand, umrandet von bewaldeten Hügeln und einigen Felsen. Offenbar will hier keiner ankern und wir haben Platz ohne Ende. Herrlich - also schön Richtung Strand legen, Dinghy klarmachen und ab an Land. Der Strand hält noch mehr, als er von ferne verspricht. Es gibt eine Höhle und seitlich mündet ein kleiner Fluss ins Meer. Es hat bis auf die Wassertemperatur karibische Qualitäten!

Nachdem wir uns genug getummelt haben, entern wir wieder das Dinghy und fahren zurück zum Boot mit dem Plan, mal ein, zwei Limetten aufzuschneiden. Nur um festzustellen, dass inzwischen Ebbe eingesetzt hat. Und außerdem ist die Badebegrenzungsleine, hinter der wir geankert haben, offenbar nicht mehr richtig befestigt. Ergebnis: sie wickelt sich durch den Ebbstrom angetrieben einmal ums Boot!

So gehört das nicht, also muss ein Plan her. Das Dinghy ist ja eh noch klar, also steigt der Skipper zurück ins Dinghy, um die Leine von der Ankerkette wegzuhalten. Die Schiffsfrau bemüht sich derweil, den Anker zu lichten. Das klappt zwar, hilft aber auch nicht wirklich weiter - jetzt rutschte die Leine unters Boot, weil sie von der Ankerkette nicht mehr abgehalten wird. Weitere Erkenntnis: man kann sie mit unserem mäßig motorisierten Dinghy nicht wegziehen, weil das Ding doch recht schwer ist. Wie an einer Kette sind kleine, orangefarbene Schwimmkörper auf eine robuste Leine aufgefädelt. Irgendwo am anderen Ende der Bucht hängt sie wohl auch noch am Grund fest. 

Am Ende müssen wir die Leine zerschneiden, um sie aus unseren Ruderblättern und dem Kiel zu befreien. Nach zwei Stunden Rödelei ist Entropy wieder frei und wir suchen uns einen Ankerplatz in großem Sicherheitsabstand vom Rest der Monsterleine. Das lose Zeug nehmen wir aufs Boot, stopfen wir in einen Müllsack und entsorgen es im nächsten Hafen. 

Als wir ein paar Wochen später auf dem nächsten Törn nochmal vorbeikommen, ist die Badeleine bereits erneuert, so dass sich unser schlechtes Gewissen in Grenzen hält. 

Das Corpus Delicti "danach"
Das Corpus Delicti "danach"

Spannende Manöver - oder: the Brits!

Manchmal fragt man sich schon, was in anderen Köpfen so vorgeht. Oder eben auch nicht. Vielleicht sind sie dieses Jahr einfach auch sehr im Brexit-Streß, oder es lag daran, dass wir uns (zum Spaß, echt!) eine EU-Flagge in die Backbord-Saling gehängt haben. Aber warum müssen die immer Erster sein, koste es, was es wolle? 

Den Vogel abgeschossen hat aber der Skipper, der uns in der Marina Coruna sehr flott an Backbord überholte (ja, in der Marina) - wir hatten gerade unseren Liegeplatz erspäht und wollten eben nach links in die Boxengasse einbiegen. Im letzten Moment muss ihm aufgegangen sein, dass wir ihn nicht von hinten ankommen gesehen hatten. Während er nun schwungvoll backbords in unserem Heck auftauchte, rief er uns kurz zu, ob wir wohl auch an die Tankstelle wollten? Und zog flott vorbei. Hätten wir das gewollt, wäre es auch ziemlich uncool gewesen. So wäre es fast zu einem Fall für die Versicherung geworden. 

Eine Ankernacht zum abgewöhnen

Geplante Zutaten: Wettervorhersage max. 27 kn Wind. Sandgrund, Bucht bekannt. Anker liegt schon einen Tag, 

Der Plan: Schlechtwetter abwarten und erst am Folgetag mit unseren Gästen (als Segelneulinge den zweiten Tag überhaupt auf einem Boot) raus aus der Ria. 

Bekommen haben wir: Wind über Stunden zwischen 30 und 35 kn, in Böen bis 40 kn, waagerechter Regen, eine abgetriebene, zusammenhängende Reihe von Reusen, die ein Fischer erst abends vor uns plaziert hatte. Und hinter uns die unvermeidlichen Muschelflöße.

Den ersten Ankeralarm gab es so gegen 1 Uhr nachts und da war schon etwas Eile angebracht. Also im Stockdunkeln bei Regen den Anker lichten, mit dem Ergebnis, dass irgendeine Leine unter Zug an der Ankerkette festhängt (die Reusen….). Querab konnte man ein paar weitere Bojen sehen, die offenbar auch zu dem Reusengeschirr gehörten und unseren Manövrierraum weiter begrenzt haben (wenn man sie denn überhaupt sehen konnte!). Ziel war also, den Anker wieder fest zu kriegen, ohne dabei eine Leine in die Schraube zu bekommen.  Hieß aber auch, dass wir die Bucht nicht wirklich verlassen konnten.

Ja, 37 Knoten Wind (die Uhrzeit ist in UTC, also 02:35 Ortszeit)
Ja, 37 Knoten Wind (die Uhrzeit ist in UTC, also 02:35 Ortszeit)

Nun gut, Spass ist anders, aber irgendwann war das Schiff wieder fest und wir haben versucht, unseren Adrenalinpegel bei der Ankerwache wieder runterzukriegen. 

Zwei Stunden später, jetzt mit Windspitzen bis 40 kn: wieder Ankeralarm. Och nö… aber wenn man quasi gerade frisch geübt hat, geht es eben ohne Verzug wieder ans Werk. Was soll man auch sonst machen. Diesmal haben wir allerdings von der neu eingebauten Ankerfernbedienung mit Kettenzähler profitiert: das Wetter war so heftig, dass wir versucht haben, den Anker vom Cockpit aus einzuholen. Das hat mit viel Gefühl und ordentlich Motorunterstützung tatsächlich funktioniert, auch wenn es sicherlich eine ziemliche Belastung für die Ankerwinsch war. Außerdem hilft, dass Martin inzwischen viel Erfahrung damit hat, nur mit Radar und Instrumenten zu fahren. Also irgendwie wieder ankern und nun wirklich richtig Eisen raushauen: 50 Meter Kette bei 6 Metern Wassertiefe sollten eigentlich reichen. 

Ankeralarm Nummer drei war dann nur noch zum Spaß: morgens bei Tageslicht kamen die Fischer zurück und suchten nach ihren Reusen. Und siehe da, da hing noch ne ganze Yacht dran… Sie zogen uns dann durch die Bucht zurück an unseren ersten Ankerplatz (der Wegpunkt rechts unten auf dem Bild oben) und machten dann sogar noch unseren Anker von ihrer Leine los.

Hat uns die Arbeit gespart, den Ankerketten-Reusenleinen-Klimbim selber aufzudröseln. Die Fischer hatten scheinbar ein leicht schlechtes Gewissen wegen ihrer Leine an unserem Anker, denn bei dem miesen Wetter in der Nacht und unserem etwas unorthodoxen Ankerplatz am Morgen schien das Kopfkino bei ihnen grob die richtige Geschichte erzählt zu haben.

Last but not least: die Entenmuschelfiesta

Corme in der Ria gleichen Namens ist die Hochburg der Entenmuschel. Wer’s nicht glaubt, googelt mal danach, oder schaut Euch das Video unten an (am Anfang dieses Videos ist Entropy tatsächlich ganz kurz zu sehen, zweite Yacht von rechts über dem "M")!

Und dann kommen wir an einem harmlosen Samstag im Juli vorbei und ankern mal für eine Nacht. Keine große Sache, wir wollten am nächsten Morgen früh los, um vor dem angesagten Starkwind in A Coruna anzukommen. 

Man sollte immer mißtrauisch werden, wenn an der Hafenpromenade schon mittags die erste Prozession auftaucht. Nach näherem Hinsehen erkennen wir auch die große Bühnenanlage auf dem Kai. Abends hatten wir dann fast 90 dBA auf dem Boot - und das war 500 m weit weg! Wären wir nicht solche Meeresfrüchte-Kostverächter, hätten wir vielleicht viel Spaß gehabt und gut gegessen. So waren wir am nächsten Tag ziemlich übernächtigt durch den unvermeidlichen Nebel unterwegs. Die Idee mit der Nebeltröte beim Auslaufen morgens um 7 Uhr hat sich letztlich doch nicht durchgesetzt.

Wie geht's weiter?

Also, Galizien ist wirklich herrlich, aber wir hätten es wahnsinnig gern mal wieder etwas wärmer. Also werden wir nächstes Jahr Richtung Portugal aufbrechen mit dem Ziel, es bis zum Herbst nach Gibraltar (La Linea) zu schaffen. Wir freuen uns drauf!